Im April 2013 erschien im „Verlag Wissenschaft & Praxis“ das Buch „Werte 2.0: Beiträge zu einer Werte-Orientierung in der Veranstaltungswirtschaft (Messe-, Kongress- und Eventmanagement)“. Als Initiator und Veranstalter des WerteEvents war sich Bernd Fritzges schon damals sicher, dass die Veranstaltungsbranche einem Werteverfall unterliegt und schrieb einen entsprechenden Artikel für das Buch, welches durch Herrn Professor Stefan Luppold herausgegeben wurde. Besonders wichtig war es ihm, in seinem Artikel auf den fairen Einkauf von Veranstaltungsdienstleistungen hinzuweisen. Dieses Thema ist heute aktueller denn je. Daher ist es an der Zeit, sich also noch einmal intensiver mit dem Artikel zu beschäftigen und die Entwicklungen der vergangenen vier Jahre Revue passieren zu lassen.

Dank der Werteevents ist eine deutliche Veränderung hin zu einem wertvolleren Miteinander zu erleben. Gemeinsam mit unseren Partnern blicken wir der Zukunft der Eventbranche erwartungsvoll entgegen.

 

Zurück in die Zukunft 

Warum die Veranstaltungsindustrie werteorientierte Einkäufer braucht

 

In den letzten Jahren hat die Sensibilität und Berücksichtigung der unternehmirischen
Gesellschaftsverantwortung (Corporate Social Resbonsibility) in allen Bereichen stark zugenommen. Eine logische Konsequenz, da immer mehr Unternehmen ihre selbst auferlegten CSR-Richtlinien transparent zugänglich machen oder inzwischen als zusätzliches Marketinginstrument einsetzen. Daher sollte man als Veranstaltungsplaner davon überzeugt sein, dass gerade Tagungen und Events hervorragende Möglichkeiten bieten, um diese positive Grundeinstellung eines Unternehmens zu transportieren. Nur leider sieht die Realität anders aus, da vor der Organisation, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen der strategische Einkauf steht.

Blicken wir kurz zurück, wie es in der Vergangenheit unserer noch sehr jungen Branche aussah. Die Beauftragung von Veranstaltungsdienstleistern in Unternehmen oblag einem eher semiprofessionellen Planer, der keine Standards kannte und intransparent vorging. Das Internet gab es noch nicht bzw. wurde noch nicht genutzt, alle Prozesse liefen daher offline ab. Veranstaltungen waren weniger komplex und der Planer war verantwortlich für den Einkauf und die Organisation. Um das Jahr 2000 kam es zu vielen Veränderungen. So schaltete sich verstärkt die Einkaufsabteilung ein und entzog dem Planer die vollständige Selbstständigkeit. Man versuchte mit Unterstützung von neuen webbasierten Tools Struktur und Transparenz in die Prozesse zu bekommen und die auch heute bekannten Schlagwörter wie Steuerung, Volumenbündelung, Prozess- und Kostenoptimierung bestimmten das Geschehen. Es wurde versucht Richtlinien und Standards einzuführen und es entwickelten sich Berufsbilder an Fachhochschulen für den Eventbereich sowie der Lehrberuf des Veranstaltungskaumanns/frau.

Inzwischen sind unzählige Publikationen vorhanden, wie der strategische Veranstaltungseinkäufer vorzugehen hat und vieles davon ist zwingend notwendig. Die Forderung nach Veranstaltungsrichtlinien, die Überlegung „Make or Buy“ und die Überprüfung der bereits benannten Möglichkeiten zur Kosten- und Prozessoptimierung gehören sicherlich inzwischen zur Grundausstattung eines Einkäufers. Dies hat jedoch auch zur Folge, dass für die Beauftragung von Leistungsträgern umfangreiche Leistungsverzeichnisse erstellt werden, die oftmals die wichtigsten Bestandteile einer professionellen Veranstaltungsorganisation nicht berücksichtigen. Tagungen, Seminare, Kongresse und Events leben von der Erfüllung der Erwartungshaltung der Teilnehmer und dem Erreichen der Zielsetzung des Veranstalters. Hierbei steht immer der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens und somit müssen viele emotionale Kriterien in den Vordergrund gerückt werden.

Schon bei dem Versuch einem Einkäufer zu erläutern, dass zum Beispiel die Buchung eines Fluges nicht mit der Buchung eines Tagungshotels oder einer Eventlocation verglichen werden kann, stößt meistens auf Unverständnis. Dabei ist es in diesem Beispiel doch schon offensichtlich, dass je nach Veranstaltungsart man auch die weichen Faktoren wie Design, Atmosphäre, Servicebereitschaft und -qualität des auszuwählenden Hauses einfließen lassen muss. Ob der Teilnehmer in einer Boeing oder in einer Airbus Maschine sitzt, wird im Gegensatz dazu eher kaum einen Einfluss für ihn nehmen.
Das Fehlerpotential wird ebenfalls beim Einkauf von Veranstaltungsleistungen dadurch erhöht, dass eine lückenlose Kommunikation mit einer größeren Anzahl von Leistungsträgern hergestellt werden muss. Dies funktioniert nur mit persönlicher Betreuung, vorhandener Markt- und Veranstaltungskompetenz, permanenter Überprüfung der Qualität und für die Konzeptentwicklung ein hohes Maß an Kreativität. Und hierbei kommen wir an die Grenzen der Leistungsverzeichnisse. Aus eigener Erfahrung kann ich davon berichten, dass jüngst im Zuge einer Ausschreibung ein Unternehmen eine Quotierung von „8 Stück Kreativkonzept“ gefordert hat ohne die Möglichkeit mit der operativen Seite im Unternehmen Rücksprache zu nehmen. Auch die Qualität der Kompetenz und Servicebereitschaft ist nur schwer tabellarisch abbildbar. Nun muss man konstatieren, dass der Einkäufer im Unternehmen in den meisten Fällen nicht nur Eventleistungen einkauft, sondern ebenfalls auch klar definierbare Produkte wie Schrauben, Baustoffe, Maschinen und vieles mehr.

Nichts desto trotz hat sich diese Vorgehensweise in unserer Branche etabliert und viele Dienstleister im MICE-Markt sehen sich einem allgemeinen „Pitch-Wahnsinn“ ausgeliefert, da Einkäufer in erster Linie an der Erreichung von Savings und Kosteneinsparungen gemessen werden. Auch in diesem Zusammenhang wundert es einen nicht, dass etablierte Veranstaltungseinkäufer von Unternehmen im Zuge eines Kongressvortrages ihren Kollegen raten, für eine Ausschreibung mindestens zehn Agenturen ins Boot zu nehmen – ohne Honorar versteht sich.

Was ist eigentlich aus den guten alten Werten wie Vertrauen, Ehrlichkeit und Partnerschaftlichkeit geworden? Warum agieren wir nur noch anonym miteinander ohne die Möglichkeit eines persönlichen Wortes. Nun, dies liegt leider auch in dem Fehlverhalten der Leistungsträger in den letzten Jahren. Provisions- und Aufschalgsmodelle in der Branche haben dafür gesorgt, dass man über Jahre versteckte Kosten den Unternehmen nicht transparent zugänglich gemacht hat, was nicht mehr vereinbar mit den heutigen Anforderungen ist. Solche Angebote führten dazu, dass teilweise für die vollständige Durchführung von Veranstaltungen Agenturen am Ende über Kick-Back Vereinbarungen  dem Bucher Geld dafür bezahlten, dass man professionell für ihn tätig geworden ist. Ein absurdes Vorgehen, was zur Konsequenz  hat, dass Leistungsträger nach wie vor kein Selbstbewusstsein mehr besitzen, den Wert ihrer Leistungen zu argumentieren. Stattdessen arrangiert man sich mit dem Status Quo, denn beim nächsten Mal hat man vielleicht Glück, den Pitch zu gewinnen.

Bezugnehmend auf die eingehend genannte unternehmerische Verantwortung sollten wir diesen Prozess gemeinsam hinterfragen. CSR-Modelle von Unternehmen beinhalten neben Formulierungen zur ökonomischen und gesetzlichen, ebenfalls Angaben zur ethischen und philanthropischen Verantwortung. Oftmals beinhaltet dies die Beschreibung des fairen Umgangs mit Mitarbeitern und Dienstleistern sowie das gesellschaftliche Engagement über die allgemeine Erwartungshaltung hinaus. Unternehmen überprüfen im vorgelagerten Matrixverfahren, ob die eigenen Unternehmenswerte, mit denen am Pitch beteiligten Unternehmen übereinstimmen. Merkwürdig jedoch nur, dass im Prozess der Quotierung, dies oftmals keine Rolle mehr spielt. Fragen wir beispielsweise Vertreter von Leistungsträgern, so wird uns berichtet, dass eine Vielzahl von Angaben hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit gefordert werden, jedoch in der Preisverhandlung keine Berücksichtigung mehr finden. Dabei wäre es doch in diesem Prozess so einfach, der selbst auferlegten ökologischen Verantwortung gerecht zu werden. Auch stellt sich die Frage, ob die Selbstverständlichkeit der Forderungen  nach Vorleistungen im Zuge des Pitch vereinbar ist mit der Bezeichnung „fairer Umgang“.
Darüber hinaus sollte jedem Einkäufer bewusst werden, dass die Einbindung von Dienstleistern auch die Effizienz der Fachabteilungen im Unternehmen erhöht und nicht nur an den abgegeben Zahlen im Angebot dargestellt werden kann. Eine Messbarkeit der benötigten weichen Faktoren ist nach wie vor schwer abbildbar.

Nur wie sollen beide Seiten mit diesem Dilemma umgehen?

Erste Entwicklungen in den Unternehmen zeigen, dass man verstanden hat, dass die Beauftragung  von Leistungsträgern nicht ausschließlich in der Verantwortung des Einkaufes liegen kann. Zunehmend werden die operativen Mitarbeiter im Unternehmen in den Ausschreibungsprozess eingebunden und ihre Empfehlungen berücksichtigt. Dies ist sicherlich ein erster guter Ansatz, um Entscheidungsprozesse zu hinterfragen und zu bewerten.

Darüber hinaus sollten wir wegkommen von der projektbezogenen Pitch-Kultur, sondern auf bevorzugte Leistungsträger oder Rahmenvertragspartner steuern. Die Auswahl dieser Partner muss  im Einklang stehen, mit den selbst auferlegten Unternehmenswerten. Dies wird man jedoch nicht ausschließlich über eine tabellarische Abfrage einschätzen können. Wir sollten uns klar darüber werden, dass im Veranstaltungssektor immer der Mensch im Vordergrund steht, daher  muss man auch bei den Leistungsträgern auf verlässliche Partner des Vertrauens zurückgreifen können.

Wenn wir es schaffen in einem ehrlichen und offenen Umgang miteinander basierend auf der eigenen Werteorientierung zusammenzuarbeiten, dann werden die Ergebnisse dieser Arbeit von Erfolg gekrönt sein. Dazu benötigen wir jedoch auch eine Rückbesinnung und Wertschätzung auf Vorgehensweisen, die uns in der digitalen Welt manchmal verloren gehen. Neue Prozesse und Tools sollten nicht ihrer selbst wegen eingeführt werden, sondern nur dort wo sie sinnvoll sind und zu einer wirklichen Verbesserung führen.

Bei genauer Überlegung, was uns gemeinsam zum Erfolg von professionellen und hochwertigen Veranstaltungen führt, werden wir feststellen, dass Handlungen basierend auf der Übertragungslinie von Werten bisher einen guten Dienst erwiesen haben. Daher lassen Sie uns auch in der Zukunft diese Qualitäten mitnehmen – die Branche wird es uns danken.